Seit einigen Jahren sind Sättel - insbesondere Lederbaumsättel - ein zentraler Punkt meines Lebens. Nein, ich bin kein Sattler, aber dieses Thema fasziniert mich seit meiner Teenagerzeit.
Sättel sind generell ein schwieriges Thema. Egal, ob es sogenannte "richtige" Sättel oder alternative Sättel sind.
Heutzutage kommen leider viele Sättel der herkömmlichen Art, sprich Sättel mit einem starren Baum, an ihre Grenzen. Pferde, bei denen jeder Sattler lieber die Finger weg läßt, sein Bedauern darüber ausspricht, für dieses Pferd keinen Sattel anbieten zu können, treffe ich immer häufiger. Und ich kann dem Pferdebesitzer auch nur gratulieren, wenn er auf solche ehrlichen Sattler oder Sattelverkäufer trifft. Denn ab und zu gibt es auch die anderen: Die, die verkaufen wollen und verkaufen müssen. Selbst dann, wenn der Sattel so gar nicht passend ist. Diese sind zum Glück selten, aber es gibt sie und wenn ein Besitzer nicht zumindest die hauptsächlichen Merkmale eines passenden Sattels kennt, ist er da recht hilflos ausgeliefert.
Weitaus häufiger als auf die zwei oben genannten Vertreter ihrer Art treffe ich allerdings auf diejenigen, die bemüht sind, den bestmöglichen Kompromiss zu finden und zu verkaufen. Das geht dann entweder zu Lasten der Passform für den Reiter oder der Passform für das Pferd oder auch von beidem ein wenig. In den allermeisten Fällen führt diese Praxis nicht wirklich zu Problemen oder wenn doch, erst nach Jahren. Hierbei kommt es ja auch immer darauf an, wie und wie oft das Pferd geritten wird, wie die Proportionen zwischen Reiter und Pferd sind und wie gut und balanciert der Reiter sitzt.
Diese Worte sollen übrigens keineswegs ein "Sattlerbashing" sein, denn diese können auch immer nur mit dem arbeiten, was sie selber anbieten können. Und auch Sattler und Sattelverkäufer müssen ihre Brötchen verdienen. Wenn also der Reiter nur danach geht, ob er sich in dem Sattel wohl fühlt oder der Satz kommt "Hauptsache der Sattel passt dem Pferd, ich arrangiere mich schon damit", wird kaum ein Sattler widersprechen und eben dem Wunsch des potentiellen Käufers nachkommen. Hier muß sich also jeder Käufer an die eigene Nase fassen, wenn das irgendwann zu Schwierigkeiten führt.
Über Sattel und Pferd gibt es inzwischen viele Informationen im Netz zu finden und es gibt wirklich viele Reiter, die sich hier bereits weitergebildet haben.
Leider wird immer wieder vergessen, daß ein Sattel lediglich das Bindeglied zwischen Reiter und Pferd ist. Das Pferd benötigt keinen Sattel, der Mensch ebenfalls nicht. Ein Sattel wird erst dann zum Thema, wenn das Pferd zum Reitpferd und der Mensch zum Reiter wird. Das bedeutet, daß ein Sattel für beide passen muß, wenn ein optimales Ergebnis erzielt werden soll.
Es wird höchste Zeit, daß in den Reiter- und Sattlerköpfen endlich das Bewußtsein ankommt, daß ein Sattel niemals eine gute Ausbildung ersetzen kann in dem er eine bestimmte Haltung vorgibt oder eine Sicherheit vermittelt, die der Reiter auf Grund mangelnder Ausbildung gar nicht hat. Ein Sattel verbessert niemals die reiterlich Fertigkeiten - er behindert im optimalen Fall nicht. Zu mehr ist der beste Sattel nicht in der Lage! Und leider wird das zu oft vergessen und eben versucht, Sitzmängel über den Sattel zu korrigieren statt hart an dem Sitz zu arbeiten. Das klappt bis zu einem gewissen Grad und geht aber leider immer zu Lasten des Pferdes.
Daher meine große Bitte an Reiter, Sattler, Sattelverkäufer und Ausbilder: Macht euch klar, daß ihr dem Pferd verpflichtet seid! Wenn ihr an dem Pferd einen Ausrüstungsgegenstand anbringt, muß er passen. Das ist eigentlich jedem klar. Aber wenn man damit auf irgend eine Art und Weise auf das Pferd einwirkt, muß dieser Gegenstand auch den Bedürfnissen und dem Können des Menschen passen! Das gilt nicht nur für Sättel sondern auch für Gebisse, Hilfszügel oder z.B. Sporen oder Gerten. Nur bei Sätteln ist das leider vielerorts noch nicht angekommen. Daß man einem Anfänger weder Kandare noch Sporen oder Schlaufzügel in die Hand drückt, ist eigentlich allgemeiner Konsens. Aber daß ein Anfänger auch nicht z.B. in einen Dressursattel gehört, weil diese Sattelart einfach ein Spezialist für Dressur und nicht fürs reiten lernen ist, wird leider immer wieder ignoriert. In früheren Zeiten lernte man in flachen Sätteln, die keine Haltung vorgaben, sich auf dem Pferd sicher selber auszubalancieren. Das ist heute leider weitgehend verschwunden. Und das ist zu merken. Wenn ich mit meinen, eher flachen und dem Reiter Bewegungsraum gebenden, Sätteln komme, merke ich sehr schnell, wer noch in den sogenannten "alten Pritschen" Reiten lernte und wer direkt in diesen "Sitzprothesen" begann. Die Ersteren fühlen sich vom reinen Reitgefühl nahezu immer direkt wohl, weil die Sättel lang vermisste Bewegungsfreiheit geben, Letztere sind extrem unsicher da ihnen die Eigenbalance und Körperstabilität fehlen. Ich kann nur jeden Reiter auffordern sich selber zu hinterfragen, ob er tatsächlich an sich selber arbeitet oder ob er sich von seinem Sattel ein Können vorgaukeln läßt, welches er noch gar nicht hat.
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