Lymphstau an der Wirbelsäule
Hin und wieder hört man Berichte über Lymphschwellungen im Wirbelsäulenbereich nach dem Benutzen von sehr flexiblen Sattelsystemen wie baumlosen, Lederbaumsätteln und anderen sehr flexiblen Bäumen. Wir haben uns dieses Themas angenommen und uns mit Spezialisten aus verschiedenen Bereichen ausgetauscht.
Einen guten und kurzen Überblick über die Funktionsweise des Lymphsystems beim Pferd liefert die Website der Firma Equicrown.
Wichtig zu wissen ist, dass das Lymphsystem des Pferdes ein „Netz“ ist und kein geschlossener Kreislauf, wie z.B. das Herz-Kreislauf-System. Die Lymphbahnen in den verschiedenen Territorien münden in die jeweiligen Lymphzentren, in denen der Reinigungsvorgang stattfindet. Dann wird die gereinigte Flüssigkeit hauptsächlich über den linken Venenwinkel wieder zurück in den Blutkreislauf gebracht. Das Lymphsystem selbst verfügt über keine Pumpe (im Gegensatz zum Blutkreislauf, der über das Herz in Gang gehalten wird), sondern wird über tiefe Atmung und konstante Bewegung (Huf- und Fesselgelenkspumpen) angetrieben.
Woher kommen diese "Knubbel" im Bereich der Wirbelsäule?
Geschädigte Lymphbahnen können nicht wiederhergestellt werden. Aus diesem Grund gibt es beispielsweise chronische Phlegmone beim Pferd. Auch nach einer Sehnenverletzung (oder Entzündung, sogenannte Tendinitis) ist häufig zu beobachten, dass das sehnengeschädigte Bein zum Dickwerden und Anlaufen neigt, da häufig die Fibrillen im umliegenden Gewebe zerstört sind.
Einen ähnlichen Vorgang kann man nun auch in der Sattellage beobachten. Auch hier gibt es aus verschiedenen Gründen die Möglichkeit, dass Fibrillen und Lymphbahnen geschädigt wurden. Sehr oft ist hierfür ein unpassender Sattel der Grund, bzw. ein dauerhaftes Reiten mit unpassenden Sätteln über einen längeren Zeitraum.
Wechselt man nun auf ein Sattelsystem, dass aufgrund seiner Flexibilität besonders „satt“ aufliegt, wird Lymphflüssigkeit durch das An- und Entspannen des langen Rückenmuskels sozusagen direkt durch das geschädigte Gewebe massiert. Aus diesem Grund treten die oft nur daumennagelgroßen und manchmal bis zu einer halben Handfläche großen Schwellungen an Stellen auf, wo der Sattel gar nicht aufliegen kann.
Die Schwellungen sind weder schmerzhaft noch gefährlich und verschwinden mit Lymphdrainagetechniken sofort oder nach relativ kurzer Zeit (20 Minuten bis etwa 4 Stunden) von selbst. Nichts desto trotz sind sie ein Anzeichen dafür, dass eine Schädigung vorliegt und das schädigte Gewebe weiterhin beansprucht wird.
Was ist nun aber mit Pferden, die zuvor noch nie einen Sattel getragen haben?
Eine weitere Ursache ist die genetische Disposition zu allgemein weichem und schwachem Gewebe. Dies findet man häufig bei „robusten Rassen“ wie Kaltblütern, Tinker, oft aber auch beim barocken Pferdetyp unter den Iberern. Stoffwechselerkrankungen wie PSSM und ECS können ebenso ursächlich für schwaches Gewebe sein.
Ebenso konnte bei einem britischen Sattelhersteller beobachtet werden, dass Pferde mit eher schlecht entwickelter Rückenmuskulatur bei einer plötzlichen Erhöhung des Trainingspensums (wie es häufig vorkommt, sobald ein passender Sattel gekauft wurde) zu Lymphstauschwellungen neigen. Die Schwellungen verschwinden sobald die Rückenmuskulatur besser aufgebaut ist und das schwächere Gewebe besser unterstützen kann. Auch gewöhnt sich das Pferd kardiologisch gesehen an die höhere Arbeitsleistung, das bedeutet der Blutdruck begünstigt die Schwellungen nicht noch zusätzlich.
Was kann ich gegen die Schwellungen tun?
Zuerst nicht in Panik verfallen!
Meistens ist eine kleine Veränderung der Auflage des Sattels bereits zielführend. So kann durch ein minimales Versetzen der Kissen oder ein Verändern der Sattelunterlage bereits erreicht werden, dass der Massagedruck der Sattelbewegung wieder in die Richtung des zuständigen Lymphzentrums führt.
Zusätzlich zur Optimierung der Auflagefläche sollte sich jedoch auch der Reiter Gedanken machen. Läuft das Pferd oft oder sogar immer mit weggedrückten Rücken, fördert dies die „Massagewirkung“ nach oben in Richtung Wirbelsäule, anstatt nach unten zu den beiden Lymphzentren (Lnn. cervicales profundi caudales vorderhalb der Schulter am Halsübergang, sowie in seltenen Fällen auch Lnn. Subiliaci/Lnn. Iliaci mediales im Beckenbereich). Biomechanisch gesehen ist es somit von äußerster Wichtigkeit, das Pferd korrekt „von hinten nach vorne“ zu reiten, um den Lymphfluss auch hier nicht zu behindern.
Das eigene Reitvermögen ist somit als erstes kritisch zu beurteilen, bevor man an einen Sattelwechsel denkt. Der Wechsel auf einen Sattel mit festem Baum, der weniger satt liegt und bei dem die Lymphknubbel nicht auftreten ist in den meisten Fällen lediglich eine Verschleierung des Symptoms, aber keine Bekämpfung der Ursachen.
Tritt das Problem erst längere Zeit nach der Anpassung des Sattels auf, so ist die Unterlage, eventuelle Einlagen im Pad sowie das Kissen zu prüfen. Eventuell hat sich Dein Pferd verändert und die Lage des Sattels begünstigt nun den Flüssigkeitsdruck in das geschädigte Gewebe. Oder Deine Kissen müssen ausgetauscht werden, weil sie zu weich geworden sind. Vielleicht ist auch die Einlage in Deinem Pad nicht mehr optimal. Kontaktiere auf jeden Fall Deinen Sattelprofi, um zusammen über mögliche Ursachen und die Behebung derer zu sprechen.
Tritt das Problem bei der Erstanpassung auf, sollte der Profi wissen, was zu tun ist. Unsere Händler sind über das Phänomen informiert und geschult. Eine Ursachenforschung sollte aber in jedem Fall betrieben werden!
Bei einem akuten Fall ist ein kurzer Spaziergang ohne Sattel und Reiter (aktivieren der Muskelpumpe) oder eine manuelle Lymphdrainage das Mittel der Wahl. Das sogenannte Lymphdrainageputzen ist eine sehr leicht zu erlernende Technik, die präventiv 1-2 mal die Woche, nach intensiven Trainingseinheiten oder bei akuten Lymphschwellungen angewandt werden kann, ohne zu schaden. Der richtige Druck und die korrekte Richtung dieser leichten Massage zeigt Dir am besten ein Fachmann.